Andere Stimmen, andere Räume / Otras voces, otros ámbitos [Theaterkritiker lesen Dichter / Los críticos teatrales leen a los poetas] – Manuel Grant liest drei Gedichte von Ingeborg Bachmann [aus «Lieder auf der Flucht»] / Manuel Grant lee tres poemas de Ingeborg Bachmann [de «Lieder auf der Flucht»]

Andere Stimmen, andere Räume / Otras voces, otros ámbitos [Theaterkritiker lesen Dichter / Los críticos teatrales leen a los poetas] – Manuel Grant liest drei Gedichte von Ingeborg Bachmann [aus «Lieder auf der Flucht»] / Manuel Grant lee tres poemas de Ingeborg Bachmann [de «Lieder auf der Flucht»]

Andere Stimmen, andere Räume / Otras voces, otros ámbitos [Theaterkritiker lesen Dichter / Los críticos teatrales leen a los poetas] – Manuel Grant liest drei Gedichte von Ingeborg Bachmann [aus Lieder auf der Flucht] / Manuel Grant lee tres poemas de Ingeborg Bachmann [de Lieder auf der Flucht]

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Kmetty János – Man Reading in the Studio (Self Portrait) [1930 – 1939]

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Manuel Grant liest drei Gedichte von Ingeborg Bachmann / Manuel Grant lee tres poemas de Ingeborg Bachmann [sobre el fondo musical de Encounter [Tous des oiseaux], de Ελένη Καραΐνδρου / Eleni Karaindrou]

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VI

Unterrichtet in der Liebe
durch zehntausend Bücher,
belehrt durch die Weitergabe
wenig veränderbarer Gesten
und törichter Schwüre —

eingeweiht in die Liebe
aber erst hier —
als die Lava herabfuhr
und ihr Hauch uns traf
am Fuß des Berges,
als zuletzt der erschöpfte Krater
den Schlüssel preisgab
für diese verschlossenen Körper —

Wir traten ein in verwunschene Räume
und leuchteten das Dunkel aus
mit den Fingerspitzen.

*

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Ingeborg Bachmann [Klagenfurt, Österreich, 25 de junio de 1926 – Roma, Italia, 17 de octubre de 1973]

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XI

Du willst das Wetterleuchten, wirfst die Messer,
du trennst der Luft die warmen Adern auf;

dich blendend, springen aus den offnen Pulsen
lautlos die letzten Feuerwerke auf:

Wahnsinn, Verachtung, dann die Rache,
und schon die Reue und der Widerruf.

Du nimmst noch wahr, daß deine Klingen stumpfen,
und endlich fühlst du, wie die Liebe schließt:

mit ehrlichen Gewittern, reinem Atem.
Und sie verstößt dich in das Traumverlies.

Wo ihre goldnen Haare niederhängen,
greifst du nach ihr, der Leiter in das Nichts.

Tausend und eine Nacht hoch sind die Sprossen.
Der Schritt ins Leere ist der letzte Schritt.

Und wo du aufprallst, sind die alten Orte,
und jedem Ort gibst du drei Tropfen Blut.

Umnachtet hältst du wurzellose Locken.
Die Schelle läutet, und es ist genug.

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XV

Die Liebe hat einen Triumph und der Tod hat einen,
die Zeit und die Zeit danach.
Wir haben keinen.

Nur Sinken um uns von Gestirnen. Abglanz und Schweigen.
Doch das Lied überm Staub danach
wird uns übersteigen.

[aus Lieder auf der Flucht]

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Drei Gedichte von Ingeborg Bachmann, gelesen von Manuel Grant

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